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"Bauen und Sehen" (Teil 5)


Abb.40 Skizze, Jüdisches Museum

Abb.40 Skizze, Jüdisches Museum


Das jüdische Museum in Berlin von Liebeskind nun ist eine ganz und gar abstrakte begehbare Skulptur von völlig unbekannter Formensprache. Es hat weder eine durch den Zweck  man kam ja auch lange ohne einen Inhalt aus  begründete Gestalt, noch steht es in irgendeiner Beziehung zu Tradition oder gar Konvention. Trotzdem scheinen sich der Anschauung keine grundsätzlichen Hindernisse entgegen zu stellen. Auch ohne die symbolische Anspielung auf das Bild eines Blitzes zu bemerken, ist die Form allein schon eine unverkennbar  künstlerische.
(Abb.40 Skizze, Jüdisches Museum)

Das eigentliche Verstehen geht aber über ästhetisch künstlerische Gesichtspunkte hinaus und tut sich indirekt, im transzendenten Raum auf. Die Absolutheit seiner Formensprache, die zweckfreie Monumentalität erkennen wir als Verweis auf einen Frevel, der alles Vorstellungsvermögen sprengt und der zwei Völker auf heillose Weise miteinander verkettet, weil an dem einen aus der Mitte des anderen verübt. Hier ist es die Verknüpfung mit einem geschichtlichen Ereignis, die uns das Bauwerk anschaulich macht. Wenn auch auf tief beunruhigende Weise.
Es ist ein Mahnmal.

Abb.41 Perspektive Neue Terrasse

Abb.41 Perspektive Neue Terrasse


Erlauben Sie mir, an dieser Stelle ein weiteres Beispiel aus unserer Werkstatt beizusteuern. Das Kongreßzentrum Neue Terrasse hier in Ihrer Stadt. Es zeigt, daß Anschaulichkeit auch aus der Charakteristik des Standortes heraus entwickelt werden kann. Als Gegenstück zur Brühl´schen Terrasse schließt die Neue Terrasse die Stadtsilhouette im Westen ab und leitet zugleich in die Landschaft des Ostrageheges über, überspringt gleichsam die Marienbrücke. Von hier aus das historische Stadtbild, ebenso wie von der Brühl' schen Terrasse aus, in seiner überaus reizvollen Verkürzung vorzuführen, ja förmlich zu inszenieren, ist Thema und Selbsterklärung zugleich.
(Abb.41 Perspektive Neue Terrasse)

Abb.42 Kinderbild

Abb.42 Kinderbild


Wir erinnern uns:
Das Kind hielt sich bei der Beschreibung des Typus vor allem an die charakteristische Geschlossenheit der Form. Die für ein Wohnhaus typischen Gegenstände Tür, Fenster und Schornstein sind natürlich ebenfalls vorhanden, wurden aber nur als Hinweis eingesetzt. Lediglich als Chiffre gebraucht, genügt dem Erkennen offenbar die frei erfundene lockere Anordnung. Nach einer systematischen Ordnung, etwa in Form von Symetrien oder auch Reihung, besteht offenbar ein angeborenes Bedürfnis nicht. Sonst wäre sie vermutlich von den zahlreichen Vorbildern im Umfeld der Malerin übernommen worden.
(Abb.42 Kinderbild)

Wie eine Blume um ihrer selbst Willen in den Tag hineinwächst, nimmt ein Kind weit geöffnet, voller Teilnahme, Erwartung und Staunen das Leben an. Als eine Welt voller Wunder und Bewegung. Dabei wird es sich allerdings von dem sicheren Gefühl dafür tragen lassen, daß all die Bewegung sich vor dem beständigen Hintergrund einer unverrückbaren Ordnung vollzieht: Den Gesetzen der Natur.

Um den flüchtigen Augenblick festzuhalten und sich seiner zu vergewissern, braucht es daher kein vorbedachtes, konstruiertes Ordnungssystem, wie etwa das einer Symmetrie. Ihm genügt die auf unvoreingenommener Beobachtung fußende, hier übrigens deutlich herauskommende Verallgemeinerung der abgebildeten Gegenstände auf eine hinter ihren eigentlichen Portraits stehende begriffliche Gestalt. In der Verallgemeinerung tritt ja zumindest die Ahnung, wenn nicht gar die Erkenntnis jener hinter der Vergänglichkeit der Einzelerscheinungen stehenden unverrückbaren Ordnung zutage. Auf sie allein stützt sich das Kind.

Wir horchen allerdings auf, wenn Werner Heisenberg in "Der Teil und das Ganze " feststellt, die Symmetrie sei im Naturgesetz selbst verankert, trete aber im Spektrum der Elementarteilchen nur gestört in Erscheinung. Wir fragen uns  ist doch alles vom gleichen Stoff  ob das eine Gesetzmäßigkeit ist, die auch das Lebende bestimmt. Ob sie sogar zu Analogien mit ästhetischen Prinzipien der Wahrnehmung führen könnte, die dann also angeboren sein und gleichsam als ihr Echo in der Architektur zu Tage treten müßten. Wird unsere heutige Vorliebe für gestörte Ordnungen sozusagen naturwissenschaftlich bestätigt? Macht unsere Malerin von ihnen Gebrauch, weil sie ahnt, daß sie in allem Lebendigen enthalten sind?

Abb.43 Zeichnung Rathaus Ochsenfurt

Abb.43 Zeichnung Rathaus Ochsenfurt


Betrachten wir zum Beispiel das Rathaus von Ochsenfurth, bringen wir es sogleich mit der von Heisenberg erwähnten Beobachtung in Verbindung. Dort haben wir es tatsächlich mit einer gestörten Symmetrie zu tun. Mit Hilfe des symmetrisch zwischen den Dachgauben und den Treppengiebeln angeordneten Türmchens, mit einer kräftigen Betonung der Mitte also, wird zunächst eine in sich versammelte, auf den ersten Blick zu erfassende  Gestalt erzeugt. Alles übrige aber ist wie zufällig platziert. Bezeichnender Weise ebenfalls eine dem Kinderbild verwandte, freie Ordnung!
(Abb.43 Zeichnung Rathaus Ochsenfurt)

Durch die Störung der Symmetrie wird lebendig, was durch vorbedachte, geplante Regelmäßigkeit steif wirken könnte. So, als hätte das Leben selbst die Hand im Spiel. Eine Idealfigur als Konzeption und Hintergrundbild der Phantasie. Tatsächlich ausgeprägt jedoch, wie es praktisch der Alltag verlangt.

Abb.44 Skizze Baum

Abb.44 Skizze Baum


Etwa den Erscheinungsformen der lebendigen Natur verwandt? Vielleicht, denn auch hinter der Gestalt des Baumes erahnen wir eine regelmäßige Idealfigur, der ein Schöpfungsgedanke einst Ziel und Grenze gegeben hat, von der aber das tatsächliche Erscheinungsbild  unter des Daseins Fülle und Bedrängnis in höchst lebendiger Weise abweicht.
(Abb.44 Skizze Baum)

Zum Schluß kommend bitte ich Sie, mir einen vielleicht allzu theoretischen Disput nachzusehen. Gerade die Reduktion auf das Allgemeine erschien mir als ein geeigneter Weg, sich zu verständigen. Eben weil man dabei auf fertige Bilder verzichtet und der Phantasie Freiräume reserviert, in denen sich ein jeder nach seinem Sinn bewegen kann. Wenn nicht alles täuscht, sind wir dennoch auf gewisse Regeln für das Bauen gestoßen. Es sind dies Regeln, die nicht in Paragraphen zu fassen sind. Wir können wir sie allenfalls nur umschreiben, halten sie aber gleichwohl für Lebenslinien unserer Baukultur. Es sind überdies Regeln, deren Konturen mit den Gesetzmäßigkeiten menschlichen Sehens kongruent zu sein scheinen und die deshalb unserem innersten Wollen genügen und niemals als Fesseln der Phantasie empfunden werden können.

Nochmals sei betont, daß es uns hier zwar um eine Architektursprache geht, aber nicht um ein bestimmtes Idiom, sondern um ein Gerüst, die Grammatik eben, die in der vorstrukturierten unseres Sehens ihr Äquivalent haben müßte, wenn das architektonische Erscheinungsbild einen Sinn ergeben soll. Eine Grammatik, die naturgegebene  Grenzen bezeichnet, jenseits derer Freiheit in Willkür übergeht. Wir sollten Wassily Kandinsky nicht mißverstehen. Wenn er bemerkt, in der Kunst sei alles erlaubt, setzt er natürlich ein Gefühl für diese Grenzen voraus. Das dem Künstler eigene Wertempfinden. Von der Vorliebe für eine bestimmte Architekturrichtung haben wir uns ausdrücklich freigehalten.

Denn uns hat lediglich interessiert, den allen Einzelerscheinungen gemeinsamen und sie alle verbindenden, allgemein verständlichen Eigenschaften auf die Spur zu kommen, die ein Bauwerk unserer Wahrnehmung zugänglich machen. Wir schließen mit einer These, die doch ein beinahe greifbares Ergebnis unserer Betrachtung sein könnte:

"Ohne Anschaulichkeit kein Verstehen. Ohne Verstehen keine Akzeptanz."

Was aber als anschaulich erscheint und wirklich angenommen wird, entscheiden wir ohne bewusstes Zutun in den Tiefen unseres Inneren und deshalb auch jenseits aller Stile oder gar Moden.  

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